03 | 04 | 2017

Hitzacker: Erfolgreicher Auftakt für den Klimapakt

Über 80 Menschen interessierten sich Anfang März dafür, was sie sich für den Klimaschutz im Landkreis engagieren können. Eingeladen hatte die neu eingerichtete Klimaschutzleitstelle im Landkreis.

Ein ehrgeiziges Ziel hat sich der Landkreis gesetzt: bis 2050 sollen 95% der Treibhausgasemissionen und 50% des Endenergieverbrauchs reduziert werden.   . "Diese monumentale Aufgabe können wir nur gemeinsam schaffen," betonte nicht nur Landrat Jürgen Schulz in seiner Begrüßung auf der "Dialogwerkstatt Gemeinsam Klimaschutz gestalten" am Samstag im Hitzackeraner VERDO.

Als eine von 22 Masterplankommunen, erhält der Landkreis Lüchow-Dannenberg vier Jahre lang eine Bundesförderung für den lokalen Klimaschutz. In den nächsten vier Jahren will die Klimaschutzleitstelle im Kreishaus gemeinsam mit vielen Beteiligten Grundsteine legen, wie der Veränderungsprozess in Gang gesetzt und langfristig aufrecht erhalten werden kann. Die Dialogwerkstatt bildete für diesen "Klimapakt" den Auftakt.

Gekommen war eine bunte Mischung an "Akteuren" der Region. Ob BürgerInnen verschiedenen Alters und Herkunft, Gorlebengegner, Energiemanager, Politiker, Verwaltungsmitarbeiter, Landwirte oder Vertreter des Bauernverbandes ... die Palette der "regionalen Akteure", die sich im Klimaschutz engagieren wollen, war vielfältig - ganz so, wie es sich die Klimaschutzleitstelle wünscht. "Für den langen Prozess, der vor uns liegt, brauchen wir Menschen der verschiedensten Gruppen," freute sich Hans-Albrecht Wiehler über die breite Resonanz.

Wandel in sechs Lebensbereichen erreichen

Um die Klimaschutz-Ziele im Landkreis zu erreichen ist es notwendig, in verschiedenen Lebensbereichen aktiv zu werden. Dazu gehören Dorf- und Quartiersentwicklung, Betriebliche Energieversorgung, Klimaschutzbildung, neue Ansätze für die Mobilität, Konsum & Lebensstile sowie Landnutzung & Klimaschutz. Zu allen sechs Themenbereichen gab es auf der Dialogwerkstatt Arbeitsgruppen, in denen bestehende Verhältnisse, Zukunftsvisionen und mögliche Projektansätze diskutiert wurden.

Zum Beispiel Landwirtschaft: Hier geht es unter anderem um eine klimaschonende Landnutzung. Henning Harms, Vorstandsmitglied im Bauernverband Nordostniedersachsen (BVNON) machte deutlich, dass die Landwirtschaft jetzt schon massiv mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen hat. "Trockenheit im Wechsel mit intensiven Regenfällen machen den Bauern zu schaffen," so Harms. "Da sind wir hautnah dabei. Wir stellen uns die Frage, wie wir uns auf den Klimawandel einstellen können."

Und dass sich die CO2-Emissionen nicht auf Verkehr und Industrie beschränken, wurde durch den Hinweis von Harms deutlich, dass der Kohlenstoff-Ausstoß aus den landwirtschaftlichen Böden ebenso hoch sei wie die aus dem Verkehrssektor - und das in einem Landkreis, in dem die Landwirtschaft längst nicht so intensiv arbeitet wie im Westen Niedersachsens.

Zum Beispiel Verkehr: im Landkreis fährt fast Jede/r mit einem eigenen Auto - meistens - alleine herum. Viele Haushalte haben zwei oder mehr PKWs, weil die jeweiligen Arbeitsstätten weit auseinander liegen. Der öffentliche Nahverkehr sorgt immer wieder für Unzufriedenheit - weswegen die Busse auch kaum genutzt werden. Effektive Konzepte, wie das zu ändern ist, konnten bisher trotz immer wiederkehrende Anläufe (Nimm mit, Steig zu, Rufbusse ...) nicht gefunden werden. In der Arbeitsgruppe wurden neue Ansätze wie Mitfahrbänke oder Carsharing diskutiert und erste Projektideen entwickelt.

Zum Beispiel Wohnen + Leben: Zunehmend wird das Thema "Gemeinschaftlich leben" drängender. Im Landkreis stehen viele Häuser leer. Kinder sind weggezogen, so dass in dem großen Familienhaus nur noch die Eltern wohnen - was den Energieverbrauch unangemessen hoch werden lässt. Inzwischen sind viele BürgerInnen auf der Suche nach neuen Lebensformen, wie z.B. "verbindliche gemeinschaftliche Wohnformen ".

Und nicht zuletzt geht es immer wieder um die Frage, wie erneuerbare Energie dezentral produziert und effektiv genutzt werden können. Zwar wird im Landkreis durch Windkraft-, Solar- und Biogasanlagen sowohl Energie produziert, dass sich die Bürger der Region zu 100 % mit Strom versorgen können, aber Heizungsanlagen laufen vielfach noch mit fossilen Energie wie Gas, Öl oder gar Kohle. Außerdem - wie der Landrat berichtete - liegt der Schadstoffausstoß im Landkreis bei rund 9 Tonnen und somit im Durchschnitt der Bundesrepublik.

Erste Schritte auf dem Weg zum Klimapakt

Alle Themen fanden auf dem Dialogforum ihre Interessenten. In den sechs Arbeitsgruppen wurden Probleme angesprochen und mögliche Projektideen diskutiert. Immer wieder waren die Begriffe "Austausch" und "Netzwerke bilden" zu hören. Auch Tauschen und Teilen waren in allen Bereichen wichtige Stichworte - z. B. in Sachen gemeinsames Wohnen, Carsharing oder das Teilen von Gemüse aus dem eigenen Garten.

Dabei wurden durchaus auch formale und technische Beschränkungen angesprochen. Wie kann zum Beispiel eine Denkmalgeschützte Scheune zu Wohnraum umgebaut werden? Wie lassen sich die öffentlichen Verkehrsbetriebe motivieren, die Fahrtmöglichkeiten zu verbessern? Oder: wie man Bürgermeister dazu, Bürgerinteressen stärker in die Ratsarbeit einzubinden?

Lösungen für alle Themen und Probleme gab es auf der Dialogwerkstatt naturgemäß nicht. Aber: "Es sind viele Projektideen eingebracht worden, die jetzt in demnächst folgenden Arbeitsgruppen und Netzwerken weiter entwickelt werden," freute Klimaschutzmanager Hans-Albrecht Wiehler. "Das Konzept der Bürgerbeteiligung geht auf. Gemeinsam sind wir die ersten Schritte in Richtung Klimapakt gegangen."

"Postkarten aus der Zukunft", die viele TeilnehmerInnen aus dem Jahr 2030 an sich selbst in der Jetztzeit schrieben, skizzierten nochmals, was den Meisten wichtig ist: ein nachbarschaftlicher Austausch in den Dörfern, neue Wohnformen, dezentrale Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen und ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr. Die 10 besten BriefschreiberInnen wurden mit einem Buchpräsent gewürdigt.

Nun ist es die Aufgabe der Klimaschutzleitstelle, den weiteren Prozess zu gestalten, zu informieren - und Privatpersonen, Unternehmen oder Institutionen bei ihren geplanten Klimaschutzmaßnahmen zu beraten und zu unterstützen.

Übrigens: die Freie Bühne Wendland zeigte sich auf der Dialogwerkstatt von einer ganz neuen Seite: als rasende Reporter befragten Kerstin Wittstamm, Martin Papke und Carolin Serafin die Besucher über ihre Wünsche und Vorstellungen zum Thema "Klimaschutz". Sie gestalteten auch den Abschluss mit einigen improvisierten Szenen, in die sie Sätze und Thesen des Tages einflochten und so eine witzige, kreative Zusammenfassung der Tagesdiskussionen lieferten.

Fotos / Angelika Blank: Ob in den Arbeitsgruppen oder in den Pausen - die Besucher der Dialogwerkstatt nutzten jede Möglichkeit, sich auszutauschen. Und: ob Energiemanager, Bürgermeister, Gorlebengegner oder Dorfbewohner - viele wollen sich für den Klimaschutz engagieren.


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